myKiNK-Magazin 93

4 I n h a l t s v e r z e i c h n i s 34 Transformation zur Rubber Doll 10 Avantgarde der Kink-Mode 38 Neuer Club für Dresden Neues & Interessantes für deinen KinkStyle 08 Pleasure Bay - Kink auf Kreta 10 Die Avantgarde der Kink-Mode 18 Mit Pia Nissen durch McHurt 38 Ein neuer Club für Dresden Sexualität 14 Ohren auf, Kink an! 22 Kinky durch Deutschland 34 Transformation zur Rubber Doll 42 Mehr sexpositives Berlin Kunst und Kultur 30 Die Liebe in der Dominanz 46 Ganz intime Virtualität 50 Das Berliner Queertango-Festival Kolumne 56 Auch Sie sollten mal ins Bordell gehen a t s i d r a g t n a v A : e t t i m ; n i k S d n 2 / s r e t s i s r e b b u R : s o t o F : . i l : s o t o F

6 V o r w o r t / I m p r e s s u m My kinky Tours Was für ein Sommer, oder? Überall Leben, nach langer Lockdown-bedingter Abstinenz blüht die Veranstaltungsbranche wieder auf, ein kinky Event nach dem anderen… Man weiß ja gar nicht mehr, wo man zuerst hin soll! In den letzten Wochen gab es viele tolle Möglichkeiten, sich mit anderen kinky poeple zu treffen, sei es beim Fetish Festival Cologne, dass dieses Jahr sein Debut hatte, der wie jees Mal atemberaubende German Fetish Ball in Berlin oder das altehrwürdige Wave Gotik Treffen in Leipzig, allerorts Party. Auch neue Formate gründeten sich an vielen Orten. Diese Ausgabe steht daher ganz im Zeichen des kinky Reisens: Wir stellen spannende Events für Spätsommer und Herbst vor, zeigen, was in allen vier Himmelsrichtungen so los ist und stellen spannende Podcasts vor, mit denen die Zugreise zum Ziel wie im Flug vergeht. Gute Reise! Das diesmalige Titelbild ist übrigens ein Teaser zum „Pleasure Bay“- Event unserer Kolleg:innen vom Marquis-Magazin und SubRosaDictum - mehr darüber erfahrt ihr auf Seite 8! Hier am Strand von Kreta zu sehen ist Sweet Severine. Impressum: myKiNK-Magazin erscheint bei: Prometheus Produktionen GmbH Geretsrieder Str. 10 a 81379 München Tel.: +49 89 2500 1730 Mail: info@prometheus-produktionen.de V.i.S.d.P.: Christian Eberle instagram.com/mykinkmagazin Redaktion: Thymos Emm (TM) Mr. Ithaqua (MI) Fotos: Adobe Stock: S. 8, 14,16, 42, 56, 58, 60 Print Auflage: ca. 8.500 Exemplare Das Heft gibt es in Shops, Clubs, Events, Onlinehändler, Treffen Digitale Auflage: ca. 7.500 Views Den myKiNK-E-Paper kann man lesen auf my-kink.de.

9 A ndreas Reichardt strahlt über das ganze Gesicht, als er von den Vor- bereitungen für Pleasure Bay erzählt: Ein ganzes Wochenende im Zeichen des Fetish. Inspiriert von den berühmt-be- rüchtigten Events aus der Karibik, stellt der Chef-Redakteur des Marquis ein Wochenende auf Kreta zusammen, bei dem Latex nicht nur mal auf einer Par- ty getragen wird, sondern von morgens bis abends. Die Besucher:innen dieses außergewöhnlichen Events sind den gesamten Aufenthalt lang unter sich, keine neugierigen Blicke von außen. Dafür ist mit dem Hotel Istron Bay eine 4-Sterne-Location gleich ganz an- gemietet worden. Das an der Nordkü- ste Kretas gelegene Hotel lockt mit einem riesigen Pool und einem wun- derschönen eigenen Strand. Selbstver- ständlich wird das Hotel aber auch ein wenig „aufgemöbelt“: Spielmöglich- keiten und kinky Pool Games führen euch noch tiefer in die Fetisch-Welt. Auch für spannendes Programm ist gesorgt: Partys, Performances, Aus- stellungen, für das kinky Lebensgefühl ist einiges geboten! Tolle Gäste wie Miss Fetilicous, Sweet Severine, Emma Lee, Nikita Klosewood, Ruby Alexia, Eri Kitami und XelK sind dabei. Als besonderes Highlight wird eine Massen-Szene des Heavy Rubber Movie „The Heavy Rubber Ressort” vor Ort gedreht werden: Gäste können unter professioneller Anleitung am Dreh teil- nehmen und sich so in einem Urlaubs- film der besonderen Art verewigen. Darum: Save the date, setzt die Segel – Kreta wartet! Autor: Mr. Ithaqua Infos: web subrosadictum.de/welcome-to-the- pleasure-bay

10 K i n k s t y l e DIE AVANTGARDE DIE AVANTGARDE DER KINK-MODE DER KINK-MODE Seit 2017 stellt das Format Avantgardista einen der wichtigsten Treffpunkte für alternative Fashion und kinky Mode dar. Doch die Modenschau in München ist längst nicht alles, was die Marke zu bieten hat. C hristian Eberle plant etwas. Als wir mit ihm sprechen, sprudelt er nur so vor Ideen und legt uns dar, welche riesige Bandbreite das Label Avantgar- dista mittlerweile abdeckt. Doch halt, zwei Schritte zurück: Avantgardista? Das ist doch die Modenschau aus Mün- chen, nicht? „Nicht nur!“, erläutert Chri- stian, „Unter Avantgardista sammeln sich mittlerweile viel mehr Formate und Events, als es am Anfang noch der Fall war.“ Und dabei nimmt sich das Team das eigens gesetzte Label - die „Avant- garde“ - auch klar zu Herzen. a t s i d r a g t n a v A : s o t o F

12 K i n k s t y l e Und diese Avantgarde-Fashion steht ganz im Zentrum: Unvergessen sind die spannenden und aufsehenerregenden Kreationen der Designer:innen, die in den letzten Jahren auf der großen Show in München zu sehen waren: Mit dabei waren u.a. die Gothic-inspirierte Mode von Schnittmuskel, das Latex- Kult-Label Marquis Fashion, die Spie- gel-Kostüme von Etere und die Latex- Masken von Bea Miersch. Auch Rebellion Fashion, Fernando Berlin und Benno von Stein gehören zu den groß- en Namen der Fashion Show. Kommen Ihnen da einige bekannt vor? Kein Wun- der, auch wir berichteten in den vergan- genen Ausgaben über die außerge- wöhnlichen Marken! Was hat sich aber nun seit unserem letzten Besuch auf der Avantgardista 2019 getan? „Einer unsere Kernaspekte sind die Pop-Up-Stores.“ Avantgardista ist regelmäßig überall in Deutschland zu finden, z.B. im Hotel ROOMERS in Frankfurt oder bei Designer Benno von Stein direkt neben seinem Atelier am Bodensee, was sicherlich besonders für unsere Leser:innen in der Schweiz in- teressant sein dürfe. Daneben gibt es für natürlich auch den hauseigenen Flag- ship Store in München-Sendling, der immer wieder interessierte Kund:innen die Türen öffnet. „Es steht alles im Zeichen der Fashion Presentation“, fasst Christian hier zu- sammen. „Auch auf der BoundCon waren wir mit einer großen Avantgardi- sta World samt Lounge vertreten, auf der die Besucher:innen Neuestes aus ihrer kinky Modewelt bei einem Drink direkt erleben und erwerben konnten.“ Was passiert denn als nächstes? „Freut euch auf jeden Fall auf die Space In- truders Party, die SubRosaDictum im Oktober im Münchner Kesselhaus wie- der veranstaltet! Außerdem planen wir für das nächste Fashion Weekend einen ganz neuen Art Space.“ Was das heißt? Christian Eberle lächelt und sagt, dass wir uns da noch ein wenig gedulden müssen. Wir sind also gespannt! Autor: Mr. Ithaqua Infos: web avantgardista.net Space Intruders: 22. Oktober 2022, München web bennovonstein.com a t s i d r a g t n a v A : o t o F

SHOWROOM benno von stein Gut 35 km von Konstanz oder 60 km von Zürich entfernt liegt unser Showroom. Dort erwartet Dich die ganze Fülle unserer Kollektionen und Meisterteile, vielleicht wird Dir beim Stöbern in unseren Schätzen Dein zukünftiges Lieblingsteil begegnen. Wir reservieren für Dich oder Euch einen Termin und bei einem Getränk könnt ihr nach Herzenslust in der einzigartigen Auswahl an verschiedensten Designs schwelgen, anprobieren und vor dem Spiegel drehen oder mit Christoph (alias Benno) die Details Deiner Maßanfertigung besprechen… Öffnungszeiten gibt es bei uns nicht – damit Du Ruhe und wir Zeit haben, verabreden wir immer individuelle Termine! Buche einen Termin: termin@bennovonstein.com +49 7771 648 99 33 bennovonstein.com/showroom

14 K u n s t u n d K u l t u r OHREN AUF, OHREN AUF, KINK AN! KINK AN! Sexpositive Podcasts erfreuen sich einer noch nie da gewesenen Beliebtheit: Ob es nun um Beziehungsthemen geht, Paarberatung, Fragen zu alternativen Lebensstilen, für alles gibt es das Passende auf die Ohren! W ann hören Sie eigentlich Pod- casts? Beim Autofahren? Beim Zähneputzen? Beim Aufräumen? Beim Sex? Oder überhaupt? Wie auch immer, die virtuellen Gespräche sind aus un- serer medialen Umgebung nicht mehr wegzudenken, sie sind gewissermaßen das Radio des 21. Jahrhunderts. Zu fast jedem Thema gibt es mindestens einen Podcast und sie sind alle - meist völlig kostenfrei - auf den großen Platt- formen zu finden. Zwar gibt es mittlerweile professio- nell produzierte Studio-Podcasts, die mehr an ein dokumentarisches Format oder ein journalistisches Exposé erin-

15 nern, doch sind die meisten dem Kern der Sache treu geblieben: Menschen sprechen über Dinge, die ihnen am Her- zen liegen. Daher sind viele Podcaster:innen keine Journalist:innen sondern in erster Linie Expert:innen in ihrem Bereich: Sie sprechen darüber, was sie interessiert, womit sie sich aus- kennen oder was sie bewegt. Das macht den Reiz am Podcast- Hören aus: Auch, wenn die Stimme am anderen Ende einer fremden Person gehört,fühlt sie sich schnell vertraut an. Als ob man Freund:innen beim Re- den über dies und das zuhört - oder bei ganz intensiven Gesprächen. Und worüber spricht man mit Freund:innen durchaus gerne mal? Richtig, über Kink, Fetisch und ganz allgemein Sex. Wir stellen euch daher hier sechs spannende Podcast-Formate vor, die vielleicht auch euch das näch- ste Zähneputzen versüßen! Not Vanilla Marc und Coco „quatschen einfach über das, was [sie] anmacht“. In ihrem mittlerweile 120 Folgen zählenden Po- dcast „Not Vanilla“ sprechen die bei- den über eine unglaubliche Bandbreite an Themen, von klassischen BDSM über Hentai bis hin zu Neopren ist alles dabei, was das kinke Herz (Achtung, Wortspiel) härter schlagen lässt. Auch über die Frage, wie Kink mit Glaube vereinbar ist, machen sie sich Gedan- ken, außerdem, was eigentlich ein Camgirl macht und was bei einem Escort-Date passiert. Spannende Gäste aus der Szene und ein wirklich gewitzt gestalteter Instagram-Account runden das Bild ab. Die Kunst der Unvernunft Moderator Sebastian Stix dürfte regel- mäßigen Leser:innen unseres Maga- zins bestens bekannt sein: Sein Pod- cast „KdU“ ist in der Szene längst einer der wichtigsten Treffpunkte geworden. Treffpunkt? Ja, denn Stix lädt nicht nur illustre Gäste zum Sprechen ein, son- dern geht direkt in die Community: Oft gibt es die Möglichkeit, sich per Chat, Discord oder telefonisch in die live pro- duzierten Sendungen einzuklinken und aktiv am Diskurs teilzunehmen. Mitt- lerweile gibt es einen ganzen Fanclub bei Telegram, auf dem alle Sendungen in Chats fortgeführt werden - so geht Podcast als Community! Nika MACHT! Eigentlich heißt ihr Podcast „Das wah- re Ahh und Ohh des BDSM & Sex“, doch ihren Fans ist ihre Sendung ein- fach als „Nika MACHT!“ bekannt, was wohl nicht zuletzt in ihrem Logo zum Ausdruck kommt: Hier ist klar, wer das Sagen hat! Nun aber Abstand von Wort- spielen mit ihrem Künstlerinnenna- men: Nika MACHT! alias Anika Tiegs ist eine Mischung aus Coach und Domina: Ihr Ziel ist es, mit BDSM zu einem selbstbestimmten Leben zu verhelfen. Spannende Einblicke sind also im Po- dcast garantiert! Geliebte auf Zeit Wo wir bei Expertinnen sind: Auch hin- ter „Geliebte auf Zeit - Hinter den Ku- lissen“ stecken zwei Damen, die es wissen müssen. Luisa und Lenia sind selbst Escort-Damen und haben sich mit ihrem Podcast das Ziel gesetzt, Sexwork zu entstigmatisieren und aus der „Schmuddelecke“ zu holen. Des- halb „über“ Sexworker:innen, sondern „mit“ Sexworker:innen. In spannenden Inter- views erhält man Einblicke in die Welt und die Menschen in der Szene, Luisa und Lenia sprechen einfühlsam mit reden sie nicht m o c . e b o d a . k c o t s – a y a t a v o m o r g : o t o F

16 K u n s t u n d K u l t u r Kolleg:innen und Kund:innen. Dabei kommen sinnliche Geschichten zu Tage. Spannende Aufklärung! Rein & Raus Schon mit dem Untertitel „Der No- Bullshit Sexpodcast“ macht Moderator Jones Bolt klar, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt und nur Offenheit hilft, um endlich mal mit der Tabuisie- rung aufzuräumen: Im Podcast spricht er mit „Freaks, Perversen, Coaches, Trainern und Profis aus den Bereichen Sexualität, Intimität, BDSM, Kink, Per- sönlichkeitsentwicklung und vielem mehr“. Wichtig ist ihm nicht nur der informative Teil der Interviews, sondern vor allem, dass die Hörer:innen durch den ehrlichen Ansatz - real talk! - einen leichten und gesunden Zugang zu Sex und ihrer eigenen sexuellen Entwicklung bekommen, ohne ständig fragen zu müssen: „Darf man das sagen?“ Ist das normal? Auch eine der größten deutschen Tages- zeitungen, Die Zeit, beteiligt sich mit ihrem eigenen Podcast am Diskurs: Sexualtherapeutin Melanie Büttner und Wissenschaftsjournalist Sven Stock- m o c . e b o d a . k c o t s – a y a t a v o m o r g : o t o F

17 rahm setzen im hauseigenen Format „Ist das normal?“ den Fokus vor allem auf die Frage der sexuellen Selbstver- wirklichung und geben insbesondere Menschen, die noch ganz am Anfang stehen, Antworten auf die brennends- ten Fragen: Warum komme ich nicht? Macht Pornographie süchtig? Kann Fremdgehen die Beziehung retten? Ist mein Penis schön genug? Alles eben unter der Leitfrage: Ist das normal? (Spoiler: Ja!) Heiß & Fetisch In seinem Podcast widmet sich Kabarettist Andre Kramer ver- schiedenen Szenen der BDSM- und Fetisch-Szene, z.B. Fesseln, Petplay, Swinging aber auch Bezie- hungsmodelle und BDSM bei körper- licher Beeinträchtigung. Er hinterfragt dabei Motive und ergründet die jeweilige Szene. In jeder Folge des Podcasts lädt Kramer sich dazu spannende und be- kannte Gäste aus dem jeweiligen Fach- gebiet ein: So erzählt Bondage-Ikone Matthias Grimme übers Fesseln, wäh- rend Domina Aurora Nia Noxx auf inte- ressante Art und Weise über ihren Be- rufstand aufklärt. Auch Szene-Größe Mark Benecke ist mit dabei und berich- tet über Beziehungsmodelle. Autor:innen: Mr. Ithaqua & Yel Beaufort Die meisten Podcasts sind zu finden bei: iTunes, Spotify, Deezer, Google Podcasts und Podigee

18 K u n s t u n d K u l t u r MIT PIA NISSEN MIT PIA NISSEN DURCH M DURCH MccHHurturt McHurt ist der Laden schlechthin, wenn es um Schlagwerkzeuge in allen Formen geht. Das Kult-Label in Berlin besticht durch die persönliche, kompetente Beratung und Qulität. Wir treffen Inhaberin Pia Nissen zum Gespräch. P ia Nissen ist eine spannende Per- son: Aus dem Nichts heraus hat sie im Alleingang eines der bekanntesten Labels Deutschland gegründet und ist ständig auf der Suche nach neuen In- novationen für ihren Laden. McHurt ist zu Ostern 2008 eröffnet wor- den und bis heute einer der führenden Läden, wenn es um alles, was schön weh tut, geht: Auf der großen Verkaufs- fläche finden wir Flogger, Peitschen, Fesseln, Jacken, Masken, Rohrstöcke, Paddel (in wirklich allen Variationen), Ball-Gags und so vieles mehr. Pia (rechts) zeigt Cailín Glas und Yel Beaufort, was es alles an Fesseln gibt

20 K u n s t & K u l t u r Alles, was wir hier sehen, lässt Pia Nissen in verschiedenen, individuellen Größen herstellen um für alle Kund:innen das Passende dazuhaben. Pia investiert in Leder von allerhöchster Qualität. Wie man das erkennt? Sie zeigt es uns: Kräftig dran riechen! Hochwertiges Leder hat einen ty- pischen Geruch, billigere Varianten riechen mehr nach Chemie. Wie kam es eigentlich zu McHurt? „Das war eine Idee bei einem abend- lichen Bierchen!“, gibt Pia lachend zu. Pias Ziel war es, gute Sachen dennoch nicht teuer sein müssen – daher ist auch der Name von der schottischen Sparsamkeit inspiriert. „Aber das Paket sollte trotzdem neutral sein, wenn es zuhause ankommt. Daher haben wir uns als 'offiziellen' Namen für 'Berliner Unfrei' entschieden – auch um unsere Verbundenheit mit Berlin im Namen zu zeigen. Und die meisten Leute werden sich nichts groß bei „unfrei“ denken – nur SM-ler werden grinsen!“ Dann neigt sich unsere Zeit auch schon dem Ende zu und der Laden öff- net die Türen: Draußen wartet bereits eine Schlange an unterschiedlichsten Menschen jeden Alters und jeder Erfah- rungsstufe, im Nu ist der Laden voll. Wir danken Pia, die sich bereits mitten unter den Kunden – ganz in ihrem Ele- ment – tummelt und freundlich erklärt und zeigt, und verlassen den Laden. Hau rein, Pia! Autor: Mr. Ithaqua Mc Hurt house Tempelhofer Damm 141 12099 Berlin web mchurt.eu m u b m u P l : o t o F , t r o f u a e B l e Y d n u s a G n l í l i a C : s l e d o M

22 S e x u a l i t ä t 22 Die eXtravaganXa in Hamburg KINKY DURCH KINKY DURCH DEUTSCHLAND DEUTSCHLAND Warum in die Ferne schweifen? Deutschland hat eine riesengroße Auswahl an kinky Locations, spannenden Shops, tollen Party-Formaten und interessanten Veranstaltungen. Und das ist doch mal eine Reise wert! W ir haben uns ganz schön was ein- gebrockt! Ein Reise-Guide durch das kinky Deutschland… Wir beginnen am besten mit einer Entschuldigung: Wir können hier gar nicht alles abbil- den! Es wäre unmöglich, auf diesen Seiten die wunderbare Bandbreite an kinky Spots in Deutschland auch nur annähernd gerecht abzubilden. Dafür ist die Community einfach zu groß und bunt aufgestellt. Es werden also not- wendigerweise einige Labels, Shops, Party-Locations usw. hier keine Erwäh- nung finden können (dafür aber im Online-Guide auf my-kink.de, also schaut doch da mal rein). Das ist aber auch nicht das Ziel die- ses kleinen Guides: Wir wollen euch anspornen, in den nächsten Zug zu steigen und mal ans andere Ende der Republik zu fahren: Sei es am Meer im hohen Norden, der Süden mit seinen Bergpanoramen, die altehrwürdigen Kulturhauptstädte des Ostens oder der florierende Westen, der sich am Rhein entlangzieht. Und natürlich wollen wir auch nicht die „Mitte“ vergessen. Wir haben das große Glück, in Deutschland eine sehr breit aufgestell- te Szene zu haben und mit dem Zug a X n a g a v a r t X e / n r e K d r a h r e G : o t o F , t r o f u a e B l e Y : l e d o M

24 S e x u a l i t ä t eigentlich überall bequem hinzukom- men. Fangen wir also mal dort an, wo die Kompassnadel als erstes hinzeigt! Der Norden Unser kinky Norden macht sich ins- besondere in den beiden größten deutschen Städten bemerkbar, Berlin und Hamburg. Berlins Partyszene ist legendär, das dürfte den meisten klar sein. Sei es der KitKatClub mit seinen sex-positiven, Techno-lastigen Partyfor- maten wie z.B. der Symbiotikka, das Insomnia, eine „klassischere“ SM-Loca- tion, oder ein völlig anderer Ort, wer eine Party sucht, wird hier meistens fündig. Berlin nennt tolle Formate wie den German Fetish Ball sein Eigen und hat innovative Konzepte wie das Karada House hervorgebracht. Auch das Studio LUX ist immer wieder einen Blick Be- such wert: Das Domina-Studio bietet mittlerweile viele hochkarätige Kunst- Veranstaltungen zur Schau. Nicht zu- letzt ist erwähnenswert, dass das inter- nationale Party-Format Torture Garden in Berlin stattfindet. Das Shopping- Herz darf ebenfalls in Berlin höher- schlagen: Durch McHurt nehmen wir euch in dieser Ausgabe schon persön- lich mit, wer hingegen auf Latex steht wird z.B. bei Blackstyle im Ladenge- schäft fündig. Ein Besuch im Fetisch- Hof lohnt immer wieder, hier gibt es ein Ladengeschäft, Spielräume, Treffs und Veranstaltungen! Hamburg muss sich nicht hinter Ber- lin verstecken: Die Boutique Bizarre gehört zu den wichtigsten Erotik-Stores überhaupt, hier findet man auf zwei großzügigen Stockwerken alles rund ums Thema. Und mit dem Catonium hat Hamburg einen der größten SM- Clubs weltweit. Hier findet ein breites Programm an tollen Szene-Treffs statt, von Stammtischen bis zu großen Party- formaten wie der legendären eXtra- vaganXa (nächster Termin: 15.10.). Queer-kinke Menschen finden im Gän- geviertel und im Kulturzentrum Kampnagel fast immer Anschluss, z.B. auf den grandiosen Queereeoké-Par- tys. Ein bisschen weiter südlich, in Hannover, lockt das pi32 mit wöchent- lichen Veranstaltungen und tollen Spielmöglichkeiten. Das Karada-House in Berlin e s u o H - a d a r a K : o t o F

26 S e x u a l i t ä t Der Osten Leipzig ist besonders um Pfingsten spannend: Da verwandelt sich die Stadt dank des Wave Gotik Treffen in einen gigantischen alternativen Spielplatz, der längst nicht nur mehr der „schwar- zen Szene“ ein Begriff ist. Mit der Ob- session Bizarre gibt es dort auch eine eigene Fetisch-Party. Ein place-to-be in Leipzig ist das KÄTZ: Der tolle Szene- Club ist z.B. die Location für das Sen- sation X Partyformat! Etwas im Inland gelegen, in Crimmitschau bei Zwickau, findet ihr den BMH Eventclub, der ebenfalls spannende Partys bietet. Der Süden Im Südosten ist München natürlich ein Ziel für die reiselustigen Kinksters: Wenn nicht gerade die Boundcon oder Le Café Bizarre stattfinden, entdeckt ihr hier zahlreiche Locations wie das Fetish Penthouse, die VIP Lounge Ele- gance oder das Rooms of Eleven. Dein Eigenheim-Dungeon rüstet ihr im Dun- gorium auf, vieles anderes findet ihr in der Boutique Domination. In Nürnberg besucht ihr entweder Der Cult oder Nacht der O, nachdem ihr bei Mac’s Mystic Store shoppen ward. Aber auch Baden-Württemberg muss sich nicht verstecken: Konstanz und Friedrichsha- fen waren schon Ankerpunkt für das international bekannte Format Torture Ship. In der Hauptstadt Stuttgart lo- cken der Salon Excentric und die BDSM Manufaktur sowie die LSBTTIQ-Bar BOOTS. Mannheim bietet mit dem Jails einen coolen Underground-Club. Der Westen Zu Ostern erlebt ihr in Essen das Eas- ter Fetish Meeting, die Fetish Celebra- tion in Köln wird kurz darauf - zu Pfing- sten - ein spannender Treffpunkt. In Mönchengladbach findet ihr mit dem Via Mia und ARTgerecht zwei tolle Miet- locations (welche die Autor:innen selbst schon begutachten konnten), in Gelsenkirchen das Kultrubel LGS (Le- der Gummi Studio) und das Flair Apartment. Seid ihr in Köln, schaut unbedingt bei Cosmic Ware vorbei oder im Casa Lion Cage. Für fesselnde Er- lebnisse gibt es dort den Fushicho Shibari Dojo. Das Insomnia in Berlin h s e N a r o Y : o t o F

28 28 M a r k e S e x u a l i t ä t Die Mitte Hessen ist kinky: Das 6imSinn in Bad Nauheim ist ein inhabergeführter Shop, der tolle Events anbietet. In Wiesbaden findet ihr nicht nur Papageien im Stadt- park (wirklich!), sondern auch das La- bel Latex Fashion Design. Und beson- ders aufmerksam möchten wir auf die „BoFeWo“, die Bondage Fetish World in Hofheim machen! In Thüringen lockt die bekannte und riesige Location „Der Gutshof“ mit The- menbereichen wie der ChaletWelt, der RomantikWelt, der SchwarzeWelt, der LatexWelt und der FesselndeWelt! Autor: Mr. Ithaqua Le Café Bizarre in München Alle Adressen und Infos findet ihr auf my-kink.de e r r a z i B é f a C e L : o t o F t x e t d n i l B : o t o F

3030 E r o t i k & L i f e s t y l e - P r o d u k t e DIE LIEBE IN DER DOMINANZ Braucht es wirklich noch ein Buch, das erklärt, wie Dominanz funktioniert? Wie man besonders überzeugend führen, belohnen oder bestrafen kann? Ja, sagt Thymos Emm. Wir sprechen mit ihm über sein Buch. T hymos Emms Augen leuchten, als er uns die Quintessenz seines Do- minanz-Verständnisses näherbringt: „Bleibe in deinem Spielrahmen und behalte dir dein Herz.“ Eine Domina hatte ihm dies einst auf den Weg mit- gegeben, verrät er uns. Sie war auch der Grund, warum er das vorliegende Buch überhaupt verfasst hat. Denn als er bei ihr vieles, vieles über Dominanz gelernt hatte, fragte er sich, wie das eigentlich alles anfinge. Woher kommt Dominanz? Wie entsteht sie? Im Kopf? Im Körper? Ist sie angeboren? Oder ist es eine Rolle? „Gute Frage“, antwortete die Domina. „Schreib doch mal ein Buch darüber.“ Und dieses Buch liegt nun vor: „Der Dominus-Effekt“ heißt es, „So geht Do- minanz (besser).“ Thymos Emm geht darin in die Tiefe des Bereichs Domi- nanz: BDSM wird dabei von verschie- denen Perspektiven aus betrachtet, von psychologischen Grundlagen über Kör- persprache, Stimme, Rhetorik, philoso- phischen Fragen über Macht und Dyna- mik bis hin zu soziologischen Aspekten gibt er akribisch recherchierte Einblicke und ganz konkrete Hilfestellungen. Bist du Mentor:in, Macher:in, Muse? Wie ist deine Körperhaltung, was machen deine Füße eigentlich beim Spiel und warum? „Wer in der BDSM-Welt als do- minant wahrgenommen wird, sei nicht automatisch eine Dominanz, Dominanz wie Exzellenz. Könne er aber werden", sagt er augenzwinkernd. Aber was hat es jetzt mit dem ein- gangs erwähnten Spielrahmen auf sich, wollen wir wissen. „Spielrahmen ist das, was du kannst, was du bereit bist, zu geben“, erklärt uns Thymos. „Der Fehler besteht darin, etwas anzu- bieten, was man gar nicht wirklich be- herrscht. Natürlich kannst du den Rah- men erweitern, aber es geht erstmal um den jetzigen Moment. ‚Bleibe in deinem Rahmen‘ heißt, mach einfach das, was du kannst. Was du sicher kannst und wo du Sicherheit geben kannst. Und ‚Bewahre dir dein Herz‘ heißt, mach es mit Liebe. Mein ganz großes Anliegen: Es muss immer Liebe dabei sein, es muss immer eine echte Verbindung geben.“ Liebe ist allgemein ein Stichwort bei Emm, das wird im Gespräch deutlich. BDSM ist für ihn nicht bloßes Akronym, sondern eine Einstellung, eine ganz besondere Art der Liebe: „Nur eben anders, mit einvernehmlichem Oben und Unten!“ Abschließend fragen wir uns, ob das alles nicht sehr an Theaterarbeit

34 S e x u a l i t ä t TRANSFORMATION TRANSFORMATION ZUR RUBBER DOLL ZUR RUBBER DOLL Die Rubbersisters sind Kult: Seit über 20 Jahren hält das Duo die internationale Fetish-Welt mit ihren unglaublichen Transformationen in Atem. Wir haben das Duo in München bei einer Session getroffen. A ls wir in einem geheimen Studio im Münchner Norden ankommen, erwartet uns ein außergewöhnlicher Anblick: Vor uns steht Monica Figures, das Gesicht der Rubbersisters. Doch nicht irgendein „Gesicht“ - sondern eine täuschend echte, hochklassige Silikon-Maske. Das ist das Markenzei- chen der Rubbersisters: Sie verwan- deln sich selbst komplett in Latex- und/oder Silikonfrauen, von Kopf bis Fuß. Von ihren Anfängen mit der eige- nen Homepage und der eigenen Sek- tion auf maskon.com (der Website von Transformations-Ikone Kerry Johnson) bis heute hat sich enorm viel getan - die Rubbersisters gingen als Marke durch die Decke! Nun wird „täuschend echt“ schnell inflationär gebraucht, wenn es um Mas- ken geht. Viele Mitbewerber:innen auf dem Markt stellen ähnliche Transfor- mationsanzüge und Masken wie die Rubbersisters her. Doch solch eine n i k S d n 2 / s r e t s i s r e b b u R : s o t o F

35 verblüffend realistische zweite Haut wie die, die Monica bei unserem Treffen übergestreift hatte, haben wir noch nie gesehen: Die Maske bildet jede mi- mische Regung ihrer Trägerin ab, Trä- gerin und Anzug verschmelzen zu einer ganz neuen Kunstfigur. Die Rubbersisters arbeiten dazu mit Profi-Maskenbildnern zusammen. Von der aufblasbaren Figurhose über Sili- konbrüste in jeder Form bis hin zum kompletten Transformationsanzug inkl. voll-funktionsfähiger Geschlechts- teile bieten sie alles an, was das Fetischist:innen-Herz begehrt. Im Rahmen des Treffens dürfen wir selbst auch einmal einige Teile anprobie- ren: Mit professioneller Hilfe von Jacline und Monica geht es durch den Halsein- stieg in die Ganzanzüge hinein - man mag es vorher kaum glauben, aber es klappt hervorragend! Verschiedene Mas- ken verwandeln die Redakteur:innen in Rubberdolls. Freilich ist das gewöhnungs- bedürftig, doch trägt sich das - immerhin 8kg schwere - Silikon erstaunlich ange- nehm auf der Haut. Die Rubbersisters sind Transforma- tions-Fetischistinnen durch und durch: Auf zahlreichen Partys und Events

36 S e x u a l i t ä t sind sie bereits aufgetaucht, zeigten verblüffende Shows und arbeiteten mit hochkarätigen Fotograf:innen und Filmemacher:innen zusammen. Sogar ein Theaterstück statteten sie mal mit einem Transformationsanzug aus („Sin- gularity“ von O-Team, Stuttgart 2017). Mittlerweile vertreiben sie ihre Pro- dukte auch in ihrem eigenen Shop „2nd Skin“. Die Preise sind zwar höher als bei den internationalen Mitbewerbern, aber dafür erhält man eine ungleich höhere Qualität: Jahrelange Praxis und Erfah- rung schlägt sich in den Produkten nie- der und die persönliche Beratung ist ausgezeichnet. Für Personen jeglicher Körpergröße können die Rubbersisters Transformationslösungen anbieten. Wir sind von der Palette der Produkte wirklich überrascht. An jedes noch so kleine De- tail wurde gedacht, um die Illusion so perfekt wie möglich zu machen. Nach einem gemeinsamen Sekt ist das Treffen auch schon vorbei und wir verlassen die Traumwelt von Monica und Jacline wieder. Diesen beiden un- gewöhnlichen Powerfrauen zu begeg- nen war ein außergewöhnliches Erleb- nis - Interessierte sollten unbedingt mal auf ihrer Website vorbeischauen, die Liebe zum Detail bei der Verwand- lung ist beeindruckend. Vielleicht ent- deckt auch ihr dabei, welche Rubber- doll in euch steckt? Autor: Mr. Ithaqua web rubbersisters.com web 2nd-skin.com n i k S d n 2 / s r e t s i s r e b b u R : s o t o F

38 S e x u a l i t ä t EIN NEUER CLUB FÜR DRESDEN Ab sofort können Veranstalter und Stammtische der dunklen Seelen sowie privatinteressierte Gruppen in Dresden den neuerbauten SyoneraVonStyx-Club buchen. Inhaberin, Domina Syonera von Styx, stellt ihre Location vor. E s ist soweit: Jetzt eröffnet im Her- zen Dresdens, im Gewerbegebiet, der „Club-SvS“. Er ist für jeden kinken Anlass geeignet, aber vor allem für SM- und Fetishpartys gedacht. Jede:r ist herzlich willkommen und kann sich einmieten. Das großzügige Erdgeschoss bietet mit 250 Quadratmeter Platz für bis zu 100 Personen. Umkleidemöglichkeiten mit Schließfächern sind vorhanden, eine tolle Bar, Bühne - sogar mit Du- sche darauf - und zwei Plexiglasschau- keln – Highlights, die man sonst Fotos: Syonera von Styx

40 S e x u a l i t ä t nirgends findet. Überhaupt ist die De- signBar ein absolutes Unikat. Stylisch sind auch die gemauerten Glasbau- stein-Lounge-Tische dazu. Dann gibt es noch das 170 Quadrat- meter große Obergeschoss, das mit drei Themenzimmern – eine Klinik und zwei schwarze Kabinette – aufwartet, sowie einem „Knast“ als Fetish- und SM-Spiel- raum oder als spezielle Fotokulisse. Und ganz oben angekommen, findet man das Dachgeschoss mit seinen 80 Quadratmeter vor - dort ist ein dis- kretes, sauberes und stylisch eingerich- tetes VIP-Apartment im Japan-Stil. Eine wunderbare, mietbare Location für Verliebte, Paare, und Reisende in der Region Sachsen/Dresden; inklusive diverser Spielmöglichkeiten: eine Eck- badewanne, ein Bambus-Himmelbett mit integriertem Käfig und ein Paa- Fotos: Syonera von Styx

41 rungsstuhl. Die Dachterrasse bietet zwei Himmelbetten, zwei Lounge- Sofaecken und eine Bar. Oft wird das Zimmer von Paaren gemietet, die ein- fach ungestört sein wollen, etwas an- deres erleben und haben möchten. Neben der Nutzung zum Spielen und Übernachten kann man hier auch kleine Partys für bis ca. 30 Leute fei- ern. Die Anlässe zum Buchen des VIP- Apartments sind also sehr vielseitig: „Ihr seid herzlich willkommen, es wird sich um alles gekümmert von der ro- mantisch-spielerischen Pärchenüber- nachtung bis zur farbenprächtigen Veranstaltung“, verspricht Syonera von Styx. Autor: Gastbeitrag der Betreiberin web syonera-fetish.club

42 42 S e x u a l i t ä t MEHR SEXPOSITIVES LEBEN IN BERLIN In der letzten Ausgabe haben wir sexpositive Orte und Veranstaltungen in Berlin vorgestellt und dazu aufgerufen, der Redaktion weitere Vorschläge zu machen. Hier kommen also Eure Einreichungen und noch ein paar weitere Tipps. S expositiv - das bedeutet Freiheit. Freiheit, abseits von Konventionen und Tabus, Beziehung und Sexualität zu leben. Der Lifestyle steht für einen achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper, darüber hinaus eine klare Kom- munikation der sexuellen Bedürfnisse und ganz wichtig: Die eigenen Grenzen und die der anderen wahrzunehmen und zu achten. Konsens ist also Key: Alles ist erlaubt, was im gegenseitigen Einverständnis passiert. Folgende Orte und Veranstaltungen haben es sich auf die Fahnen ge- schrieben, einen Safe Space zur Ver- fügung zu stellen, also einen sicheren, urteilsfreien Raum zur sexuellen Ent- faltung: Foto: tilialucida – stock.adobe.com

Culture Houze Das Culture Houze in der Görlitzer Stra- ße in Kreuzberg gibt es nun schon seit 25 Jahren. Neben gemischten, queeren und rein schwulen Partys finden hier jeden Samstag Events speziell für FLIN- TA statt, also für Frauen, Lesben, inter- sexuelle, nicht-binäre, trans und agen- der Personen: Partys, aber auch eine Filmreihe mit queer-feministischen Pornos, sowie die Workshop-Reihe The ABC of S.E.X. Die Flinta-Partys wech- seln sich thematisch ab, zum Beispiel FLI*T*chen „für gestandene Flittchen und Neulinge gleichermaßen, zum Ken- nenlernen, zum Weiterschauen, zum Fühlen, zum Fassen, zum Machen und Tun, oder auch einfach zum Zurückleh- nen, Schauen, Lauschen, Genießen“. Außerdem bemerkenswert: Es gibt eine Party namens „Kinky Wrinkles“ für alle Flintas Ü40. Quälgeist Quälgeist Berlin ist ein nichtkommerzi- eller Verein von SM- und Fetischliebha- bern. Auf etwa 300 Quadratmetern stehen Spielmöglichkeiten zur Verfü- gung: Andreaskreuze, Zellen, Streck- bank, Sprossenwand, Flaschenzüge, Hängekäfig, Slings und mehr. Der Ver- ein organisiert regelmäßig Veranstal- tungen, überwiegend für schwule Män- ner, in der Regel am Wochenende, freitags und samstags. Manche Abende sind offen für alle Spielarten von SM, andere widmen sich speziellen Vorlie- ben, zum Beispiel Windel- und Ageplay. Allgemeine Homosexuelle Ar- beitsgemeinschaft (AHA) Die AHA ist ein nichtkommerzielles Pro- jekt, das in der Monumentenstraße 13 einen Anlaufpunkt für queere Subkultur bietet. Die AHA wurde 1974 als schwu- ler Verein gegründet und hat sich seit- dem zu einer zentralen Institution der Berliner Szene entwickelt. Inzwischen 43 versteht sich die AHA als Plattform für alle Menschen aus der queeren Ge- meinschaft. Die Veranstaltungen rei- chen von Queer Refugee Evenings über Poetry Slams bis hin zu Sex-Partys. Polymotion Offen für alle Geschlechter, mit Dar- krooms und ohne Dresscode, mit Fokus auf FLINTA – Polymotion ist eine eta- blierte queere und sexpositive After- hour-Partyreihe. Sie findet in Fried- richshain im „://about blank“ statt, einem feministisch ausgerichtetem Club. Er wird von einem Kollektiv gelei- tet, das sich 2010 aus der autonomen Hausbesetzerszene entwickelt hat. Die Techno-Musik pulsiert hier ab 95bpm denn, so sagen die Veranstalter:innen, „langsam ist sexy“. Quälgeist Foto: Cengiz / Quälgeist Berlin e.V.

44 S e x u a l i t ä t Kinktastisch Tanzen, Trinken, Quatschen oder im Jacuzzi abhängen – die Kinktastisch gehört definitiv zur neuen Generation der Fetischpartys – jung, modern, queer, safe und mit viel Freude und Leichtigkeit bei der Sache. Im Laufe der Nacht gibt es Workshops, Performances und elektronische Musik von DJs. Kinktastisch ist eine queere und sex- positive Fetischparty im Insomnia, bei der alle willkommen sind - Einhaltung des Dresscodes vorausgesetzt. Außer- dem sollte jeder die Konsens-Regeln kennen und verinnerlicht haben, um einen sicheren Raum zu schaffen. Um diesen Raum zu gewährleisten, gibt es ein spezielles Team, erkennbar als Ein- hörner verkleidet. SinBerlin Das Sin Berlin zentral, am Mehring- damm, ist ein Raum für Events, Work- shops, Kunst und Kreativität. Im Sou- terrain gelegen gibt es hier auf 85 Quadratmetern eine gemütliche Bar mit Sitzecke und Klavier, außerdem einen voll ausgestatteten Spielbereich, Liegewiese und Duschen. Die Grab- steine, die in der Bar eingelassen sind, verleihen der Location eine Kerker- Atmosphäre, in der sich jeder Grufti wohlfühlt. Das SinBerlin kann man mieten, es finden hier aber auch regel- mäßige Veranstaltungen statt wie die „Kinky Pride Play Night“ oder „Die Teegesellschaft“. Das SinBerlin ist als Location, Galerie und Raum für Krea- tivität ausschließlich zu Events geöff- net. Klub Verboten Klub Verboten wurde 2016 in London gegründet. Die Veranstalter:innen wol- len auch in Berlin moderne künstle- rische und kinky sexpositive Räume schaffen - zur Erforschung von BDSM- und Fetischpraktiken mit allen Sinnen. Der Dresscode ist streng und klassisch Fetisch: Latex, Gummi, PVC, Leder, Me- tall, Nylon. Auch hier ist Konsens Key: Auf der Website gibt es die Regeln zum Nachlesen, ein ausgebildetes Safegu- arding-Team sorgt auf den Partys für deren Einhaltung, das universelle Sa- feword ist „Pineapple“. Autorin: OscaDoria (instagram.com/kinky_in_berlin) SinBerlin Foto: SinBerlin

47 VIRTUALITÄT VIRTUALITÄT Das neue Projekt von Choreografin Anja Abels bietet ein ganz intimes VR-Erlebnis, das Tanz, Latex und Peep-Show-Kabinen miteinander verbindet. Wir sprachen mit der Ausnahmekünstlerin über die Performance. N ur für dich!“ heißt das neue Pro- jekt von Künstlerin, Performerin und Choreografin Anja Abels alias The- Creature, das sie derzeit in Mönchen- gladbach und Hamburg einstudiert und produziert. Ausgehend von Über- legungen zum Umgang mit Sexualität, intimen Erleben und Pornographie im Internet, ist hier eine Arbeit im Entste- hen begriffen, die den Zuschauer:innen in einem sicheren Raum ein ganz per- sönliches Tanz-Erlebnis bieten soll – und das in Virtual Reality! Das Konzept von Anja Abels sieht nämlich vor, dass das Publikum nicht direkt mit der Tänzerin interagiert, sondern mittelbar – dafür fertigt sie mit dem Hamburger Unternehmen Spice VR und dem Künstler:innen-Kol- lektiv XelK eine aufwändige 3D-Auf- Model: Anja Abels, Foto: Ingo Kregeloh

48 S e x u a l i t ä t nahme der Performance an, welche das Publikum dann mittels eines VR- Headsets erleben kann. Doch das fin- det nicht zuhause in den eigenen vier Wänden statt, sondern in einer ei- gens kreierten Rauminstallation, die der Performance nochmal einen besonderen Rahmen gibt. Denn beim Besuch der Perfor- mance wird man zunächst in ei- nen einer Peepshow-Kabine nach- empfundenen Raum geleitet: ein Stuhl, ein Schlitz in der Wand, eine Brille. Doch waren da nicht noch andere Türen? Bin ich al- lein? Ist das wirklich „nur für mich“? Was passiert wohl in den anderen Kabinen? Solche Fragen leiten Anja Abels derzeit durch den Schaf- fensprozess: „Unser Projekt ist gleichermaßen ein Erlebnis- und ein Forschungsraum für Bewegung, Tanz, Intimität und Sexualität“, erzählt sie uns. „Es geht um die absurde Situation der intimen Begegnung, die eigentlich gar nicht stattfin- det.“ Die Besucher:innen be- gegnen Anja Abels „Schatten- seite“ TheCreature, einem tanzenden Latex-Wesen, im virtuellen Raum ganz unmittel- bar: Durch moderne 3D-Aufnah- men können sie sich mit TheCre- ature bewegen und sich in den sicheren Zwischenraum von be- sonderer Intimität und abstrak- ter Virtualität fallen lassen. „Nur für dIch!“ wird im Novem- ber in Hamburg zu erleben sein. Termine und weitere Informatio- nen folgen auf Anja Abels Home- page (s. Infobox). Autor: Mr. Ithaqua web anjaabels.de Instagram: @_anja.abels_ Model: Anja Abels, Foto: Matthias Wallmeier:

51 DAS BERLINER DAS BERLINER QUEERTANGO- QUEERTANGO- FESTIVAL FESTIVAL Was gibt es romantischeres, als einen Tango zu tanzen? Und das dann auch noch nach queerer Façon? Unsere Autorin OscaDoria hat das Berliner Queertango-Festival besucht und einen spannenden Abend erlebt. A uf den ersten Blick wirkt es wie eine herkömmliche Milonga - Mi- longa heißt es, wenn Menschen zu- sammenkommen, um Tango zu tan- zen. Milongas gibt es in Berlin viele - auf Dächern, am Fluss, in der Fuß- gängerzone. Berlin ist schließlich, nach Buenos Aires, die zweitgrößte Tango-Metropole der Welt. Meist sieht man Cis-Männer mit Cis-Frauen tan- zen. Der Mann führt, die Frau folgt. Der Mann trägt Hosen, die Frau Kleid. Er hat Tanz- oder Turnschuhe an, sie High Heels. Diese Milonga ist anders. Nicht nur bietet die Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuz- berg eine eindrucksvolle Kulisse. Die Dekoration sticht ins Auge: Eine Disko- kugel funkelt über der Tanzfläche. Die vielen bunten Flaggen, die von den Em- poren hängen, sind nicht etwa Reprä- sentanten verschiedener Länder. Sie repräsentieren einen Raum, wo alle ak- zeptiert werden und willkommen sind, wie sie sind - egal welches Geschlecht und welche sexuelle Orientierung. Denn beobachtet man die Tan- zenden genauer, fällt auf: Hier tragen einige Männer High Heels, rosa Overall oder Blümchenkleid. Frauen haben An- zug an, Hosenträger oder flache Schuhe. Frauen tanzen mit Frauen, Männer mit Männern. Wer hier führt, ist zumindest anhand des Schuhwerks nicht zu erkennen. Das QueerTango-Festival in Berlin ist eines der erfolgreichsten und bekann- testen Festivals seiner Art weltweit. Jährlich kommen etwa 300 Tangofans nach Berlin, um mit Gleichgesinnten a i r o D a c s O : o t o F

54 K u n s t u n d K u l t u r Der Tango hat seine eigene Mode, spezielle Kleider, Röcke und Hosen an Workshops und Milongas teilzuneh- men und sich auszutauschen. Die Workshops werden von international renommierten Tänzer:innen geleitet, in „open gender classes“ üben Anfänge- rInnen die Grundschritte - an insge- samt fünf Veranstaltungsorten in ganz Berlin. Fortgeschrittene Tango-Fans können sich zum Beispiel Enrosques und Spiralen beibringen lassen - oder bei Veranstalterin Astrid Weiske den Workshop „Die Entdeckung und Magie der Langsamkeit und Pause“ belegen. Highlight des Gala-Abends in der Heilig-Kreuz-Kirche ist die Vorführung der beiden Showtänzer Carlos Blanco und Rey Flores aus Mexico City. 2016 entschieden sich die beiden Männer, zusammen zu arbeiten und entwi- ckelten eine professionelle Tanzpart- nerschaft, die mittlerweile große Aner- kennung in der Öffentlichkeit findet. Ein wichtiger Aspekt ihrer Partnerschaft ist die Sichtbarkeit und Akzeptanz der queeren Community im Tango zu erhö- hen und Raum zu schaffen frei von Homophobie. Sie tanzen stellvertre- tend für die Teilnehmenden des Queer- Tango-Festivals und alle queeren Tango- Begeisterten der Welt. Autorin: OscaDoria (instagram.com/kinky_in_berlin) a i r o D a c s O : o t o F

56 K o l u m n e AUCH SIE SOLLTEN AUCH SIE SOLLTEN MAL INS BORDELL MAL INS BORDELL GEHEN GEHEN Wie ist das eigentlich, eine Domina zu besuchen? Gekauften Sex zu haben? Ein Studio zu mieten? Was in der Gesellschaft nach wie vor als anrüchig gilt und nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wird, muss endlich aufhören, sich zu verstecken! E s gibt wenig Orte, die ekelhafter sind als ein „Puff“. Ein „Bordell“. Ein „Hurenhaus“. Kommt Ihnen da nicht das Würgen schon allein beim Lesen? Klingt das nicht widerlich? Schä- men Sie sich nicht, solche Worte über- haupt erst zu lesen? Wissen Sie, was da passiert? Notgeile Männer gehen da hin, um sich Sex von Huren zu kaufen. In Bomberjacken gekleidete, mit Gold- kettchen behängte Zuhälter mit viel zu viel Gel in den Haaren und dem schmie- rigsten Lächeln, das Sie sich vorstellen können, verlangen grinsend ihren Tri- but, bevor sie dann hinterher die Hure mit Drogen versorgen und die Puffmut- ter verprügeln. Ach ja, und Sie bekom- men Aids, Tripper und Syphilis. Das haben Sie nun davon. Und Sie haben bestimmt einen ganz kleinen Schwanz. Sie sind ja wirklich schamlos, dass Sie so einen Text überhaupt lesen Schamlos oder… offen. Human. Menschlich. Sie lesen hoffentlich wei- ter, weil Sie wissen, dass es so nicht ist, wie eingangs „blumig“ umschrie- ben. Oder zumindest, weil Sie auch daran glauben, dass es so nicht sein kann, nicht sein darf. Fakt ist leider, dass Sexwork nach wie vor eine der schwierigsten, da stigmatisierten Pro- fessionen ist, die man ausführen kann. Nicht ohne Grund arbeitet fast kein:e Sexworker:in ohne Pseudonym. Die gesellschaftliche Ächtung des Berufs - die zugegebenermaßen in den letzten Jahren abgenommen hat - ist nach wie vor groß. Und fast so groß ist die Äch- tung der Klient:innen (und immerhin sind sie es, die nach dem Nordischen Modell zu Täter:innen deklariert wer- den sollen, s. Ausgabe 90). Doch halten wir uns hier nicht damit auf, über den gesellschaftlichen Dis- kurs über Sexwork zu referieren - denn das haben wir schon in Ausgabe 90 getan, also schlagen Sie gerne da noch- mal nach -, sondern gehen wir das doch mal anders herum an: Wie ist es denn eigentlich, zu einer professio- nellen Sexworkerin zu gehen? Wie fühlt sich so ein Besuch an? Wie überwindet man die Scham? Und was bekommt man für sein Geld? Das erste Mal Erinnern Sie sich an Ihren ersten Kuss? Oder Ihren ersten Geschlechtsverkehr? Wissen Sie noch, wie aufgeregt Sie wa- ren? Das Herz schlägt schneller, die Atmung wird heftiger, die Schmetter- linge im Bauch explodieren geradezu, F : o t o m o c . e b o d a . k c o t s – s d a v n i r G s r a p s a K l

57 Sie zittern, Sie spüren sich ganz deut- lich, in Ihrem Kopf explodiert ein Feu- erwerk. Während Ihr Verstand immer leiser wird, während er eine wirre Fra- ge, ob das so ist, wie Sie sich das vor- gestellt haben, nach der anderen los- feuert, ohne jemals Antwort zu erhalten, übernimmt Ihr Verlangen. Ihre Sehnsucht und Ihr Körper wissen, was zu tun ist. Die Lust übernimmt. Haben Sie die Erinnerung? Gut. Nun nehmen Sie diese Aufregung und multi- plizieren Sie sie mit 100. Das ist die Aufregung, die Sie beim ersten Besuch bei einer Domina verspüren werden. Nein, ganz so heftig wird es viel- leicht nicht, aber wenn Sie jetzt nicht gerade die allercoolste Socke des Pla- neten sind, wird Ihr Erlebnis Sie sicher emotional mitnehmen – schön aufre- gend und aufregend schön Wenn Sie nicht gerade ein Laufhaus besuchen oder sich jemanden direkt im Rotlichtbezirk angeln, fängt der Erst- kontakt für die meisten virtuell an: Eine Anfrage an die Sexwork-Person der Begierde will abgesandt werden. Schreiben Sie eine Mail über das Kon- taktformular auf der Homepage? Dann sieht man aber Ihren Namen, nicht?

58 K o l u m n e Schnell noch ein anonymes Konto auf- machen? Oder vielleicht direkt eine der Vermittlungsplattformen nutzen? Oh, lädt man da jetzt ein Foto hoch? Viel- leicht doch direkt die Nummer anru- fen? Puh, das ist schon aufregend. Wer wird sich da melden? Eine Privatper- son, muss man erstmal sagen „Hallo, bin ich da richtig bei Göttin Verena?“. Oder ist das schon eine Geschäftsnum- mer (Spoiler: Ja, eigentlich immer.), wo dann tatsächlich eine „Göttin“ rangeht? Ist das wie beim Telefonsex? Oder be- spreche ich erstmal wie beim Kauf ein Angebot? Stellen Sie sich darauf ein, dass Ih- nen all das durch den Kopf schießt. Und ich kann Sie beruhigen: Die Person am anderen Ende weiß ebenfalls, dass Ih- nen das so geht und wird Ihr Bestes geben, Sie da abzuholen, wo Sie stehen. Das Spiel hat noch nicht begonnen, Sie müssen sich noch nicht untenrum frei- machen. Seien Sie nett, Ihr Gegenüber wird es auch sein. Fragen Sie, ob Sie Ihre Wünsche schildern dürfen (Spoiler: Ja, sollen Sie sogar), sagen Sie es offen. Fragen Sie, was das kosten wird, dann fühlen Sie sich nicht in der Bitt- steller:innen-Position, sondern als das, wie Sie auch wahrgenommen werden: als Klient:in. Dann haben Sie die erste Hürde schon mal genommen. Ob Sie nun vorher anrufen und eine Adresse bekommen oder direkt in ein Etablissement hineinschneien: Irgend- wann müssen Sie da halt auch hinge- hen. Ab hier wird Ihr Herz merkbar stärker klopfen als gewohnt. Sehen Sie sich nochmal um, ob Sie jemand beo- bachtet oder gehen Sie selbstbewusst rein? Das Laufhaus mitten auf der Ree- perbahn oder das diskrete Studio im zweiten Stock eines Industriegebäu- des? Oh, und vielleicht haben Sie noch eine Anreise, weil Sie sich etwas ganz Besonderes wünschen, das Sie nunmal nicht in Ihrer Kleinstadt bekommen: Was denken Sie, wie aufgeregt Sie erst während der Fahrt sein werden? Nun ist es soweit, Sie stehen vor der Tür. Gleich gehen Sie rein. Sind Sie die Person, die schon alles erlebt hat und ganz selbstverständlich damit umge- hen kann, oder die, die nervös in der Ecke steht? Ganz egal, Ihr:e Sexworker:in wird sich darauf einstel- len. Das ist sein:ihr Beruf, das hat er:sie mitunter auch gelernt. Und nun steht da… ja, wer ei- gentlich? m o c . e b o d a . k c o t s – r y m y d o o V l

59 Hure? Domina? Oder Escort? Sexworker:in ist nicht gleich Sexworker:in. Bloß, weil man vor dem Gesetz unter „Prostituierte:r“ eingeord- net wird, macht man noch lange nicht das Gleiche. Vielleicht sind Sie bei einer Hure? Dann geht es in erster Linie da- rum, Ihre körperlichen Bedürfnisse zu versorgen. Oder haben Sie sich bei ei- ner Domina angemeldet? Die ist auf Ihr Kopfkino spezialisiert und auf ganz andere Empfindungen, als den Ge- schlechtsverkehr. Oder haben Sie sich ein Escort-Date mit „GFE“ (girlfriend experience) gegönnt? Dann sind Sie auf einem Date mit einer Person, die alles daran setzen wird, Ihnen einen schönen Abend zu machen und Ihnen das kör- perliche Highlight je nach Vereinbarung zusätzlich garantiert. Das Angebot ist so individuell abge- stimmt, wie es die Klient:innen nunmal sind. Doch alle haben eines gemein- sam: Sie sind Dienstleister:innen, denn sie stillen ein Bedürfnis in ihren Klient:innen. Köch:innen stillen Hunger, Schauspieler:innen stillen Kunstbedürf- nis, Prostituierte stillen Sexualbedürf- nis und Fantasien. Ein:e gute:r Sexworker:in weiß auch genau damit gekonnt umzugehen: In Ihrer gebuchten Zeit geht es allein um Sie und um das Befriedigen Ihrer Bedürf- nisse, soweit Sie diese vorher klar formu- liert haben. Sie sollen das Reich Ihrer Sehnsüchte betreten können und Ihr sexuelles Ich, Ihr Verlangen ausleben dürfen. Zwar kann Ihr Gegenüber Sie evtl. bereits ein wenig einschätzen, doch ist sie:er über klare Kommunikation im- mer dankbar, auch während der Session. Wie so eine Session also letztlich ablaufen wird, ist ganz Ihnen und Ihrer:m Sexworker:in überlassen: Das sinnliche Erlebnis der Berührung durch eine Hure, die aufregende, straff-durch- inszenierte Begegnung mit einer Domi- na, das berührend-romantische Date mit einer Escort-Dame oder einem Escort-Herren … Vielleicht bleiben Sie hinterher noch auf einen entspannt-unaufgeregten Schwatz oder verlassen die Räumlich- keiten mit Ihrem Kopfkino, Sie können den gesamten Heimweg davon zehren – bis oben hin mit Adrenalin vollge- pumpt. Wir wünschen es Ihnen auf je- den Fall! Begegnung an der Bordsteinkante Wie fühlen Sie sich eigentlich dabei, diesen geheimnisvollen Personen zu begegnen? Diesen Kunstfiguren, die andere Namen tragen? Candy? Sweet Honey? Lady Doom? Madame Isabel? Sir Demonic? Sie kennen die Person dahinter nicht. Oder doch? Bei einer Vernissage in der Galerie xpon-art treffen wir Luisa (die aufmerk- same Leser:innen aus dem Bericht von S. 14-17 wiedererkennen), sie ist nicht nur Escort-Dame, sondern auch Künst- lerin. Bei der Vernissage werden zwei große Bild-Arbeiten und eine Video- Installation (in Kooperation mit Johan- na Bank) von ihr gezeigt. Eine wunder- bare Gelegenheit, sie außerhalb des Escort-Business kennenzulernen! Lui- sa ist eloquent, sie beherrscht den Raum, bleibt dabei aber immer nahbar und neugierig. Nichts von einer abge- hobenen femme fatale, aber doch auch ein Kunstwesen: Bis ins Detail perfekt gestylt und nie ihr Pseudonym able- gend erscheint sie als Künstlerin auf- geschlossen und auf einer Ebene mit ihrem Publikum. Ein Klient ist an dem Abend bei ihr, sie gehen völlig offen und entspannt damit um, dass er sie regelmäßig bucht und sich freut, da- durch ihre Kunst zu unterstützen. Eines der Exponate hat er schon für sich reserviert. Die beiden lachen wie beste Freunde. Es ist eben doch ein sehr persönliches Metier und irgend-

60 m o c . e b o d a . k c o t s – u e . e e h p a r g o t o h P : o t o F wie werden wir ein bisschen neidisch auf das besondere Verhältnis, das die beiden pflegen! Die andere Seite In Berlin beim German Fetish Ball treffen wir Domina Yel Beaufort, die nicht nur die Veranstaltungen besucht, sondern auch geschäftlich hier ist. Da sie sowieso schon viel Latex dabei hat und mit einer Kollegin angereist ist, hat sie in einem Studio gleich einige Sessi- ons angeboten, bevor sie abends auf den Ball gegangen ist. Ihr hattet dann bestimmt viele Kunden, die wegen des GFB hier sind, oder? Nein, eigentlich gar nicht! Ich hatte erst gedacht, dass da harte Kinkster kom- men, immerhin haben sie sich ja zwei Latex-Dominas gebucht. Aber das war dann ganz anders. Es kamen Menschen, die es gar nicht so darauf abgesehen hat- ten, jetzt „geil“ zu werden, sondern die verstanden werden wollten, gehört wer- den wollten. Gehört? Inwiefern wollten sie gehört werden? Wollten sie nicht ein- fach eine bizarre Behandlung? Schon, aber sie wollten auch ganz viel sprechen. Da waren Menschen dabei, die auf diesen Besuch gespart hatten, die es sich gönnen wollten, einmal ihren Fetisch mit professioneller Hilfe ausleben zu kön- nen. Es war unglaublich rührend, wie of- fen und menschlich sie waren, was für eine menschliche Situation da entstanden ist, selbst wenn wir komplett in Latex ge- kleidet und maskiert waren. Was war dann deine Aufgabe als Sexworkerin? Ich wollte diesen Menschen ihr Bedürf- nis erfüllen, ihnen sagen: „Ja, du bist toll so, wie du bist, deine Bedürfnisse sind schön, du musst dich für nichts schä- men!“ Selbst, wenn du auf Nassspiele stehst, ist das nichts Verwerfliches, son- dern etwas, dass du erleben kannst. Es war so schön, zu sehen, wie glücklich die Klienten wieder gegangen sind. Yel fasste es eigentlich perfekt zu- sammen: Sexwork heißt, Gehör zu fin- den und verstanden zu werden. Oder, wie es Goethes Faust formulierte: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ Autor: Mr. Ithaqua

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